Kein Kindergeld während der Facharztausbildung

Beginnt das Kind nach erfolgreich abgeschlossenem Medizinstudium ein Dienstverhältnis an einer Klinik, das als Vorbereitungszeit zur Erlangung der Facharztqualifikation dient, ist ein Kindergeldanspruch während dieses Dienstverhältnisses mangels Vorliegens einer Berufsausbildung i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung des Dienstverhältnisses der Erwerbscharakter und nicht der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.

Somit ist eine Kindergeldgewährung wegen eines Dienstverhältnisses, das als Vorbereitungszeit zur Erlangung der Facharztqualifikation dient, grundsätzlich nicht mehr möglich.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte die Mutter einer im Mai 1997 geborenen Tochter geklagt, die im Dezember 2020 ihr Medizinstudium erfolgreich abschloss. Zum 01.01.2021 begann sie ihre mindestens 60 Monate um-fassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Das hierzu mit einer Klinik abgeschlossene Dienstverhältnis umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden. Die Familienkasse gewährte bis zum voraussichtlichen Ende des Medizinstudiums Kindergeld, lehnte eine Weitergewährung des Kindergelds während der Vorbereitung auf die Facharztqualifikation jedoch mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht mehr um eine Berufsausbildung handele.

Das Niedersächsische Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage der Mutter ab1. Der Bundesfinanzhof bestätigte dieses Urteil und wies auch die Revision der Mutter als unbegründet zurück:

Der Bundesfinanzhof hielt die Revision der Klägerin für unbegründet. Volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden kindergeldrechtlich u.a. dann berücksichtigt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Insoweit dienen der Vorbereitung auf ein Berufsziel zwar alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Werden die Ausbildungsmaßnahmen allerdings innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses durchgeführt, liegt eine Ausbildung nur dann vor, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Im Streitfall überwog allerdings der Erwerbscharakter. Denn das FG hatte festgestellt, dass die Tochter der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Klinik bereits ihre Qualifikation als Ärztin einsetzte. Im Vergleich mit ihrer praktischen Tätigkeit als Ärztin hatte die theoretische Wissensvermittlung im Rahmen der Facharztausbildung einen deutlich geringeren Umfang. Zudem stand  die Erbringung der Arbeitsleistung in der Klinik im Vordergrund und die Tochter erhielt auch keine bloße Ausbildungsvergütung, sondern ein für eine Ärztin angemessenes Entgelt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. September 2022 – III R 40/21

  1. Nds. FG, Urteil vom 17.11.2021 – 9 K 114/21[]