Keine Schadensersatzansprüche bei mRNA-Coronaimpfungen

Das Oberlandesgericht Koblenz sieht bei einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty keine Grundlage für Schadensersatzansprüche gegen den Impfstoffhersteller Biontech.

Dieser Impfstoff erhielt  am 21.12.2020 eine bedingte zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung und am 10.10.2022 eine Standardzulassung. Der Klägerin wurde am 31.08.2021 die erste und am 30.09.2021 die zweite Impfung verabreicht. Nunmehr behauptete die Klägerin  im Wesentlichen, wenige Tage nach der ersten Impfung unter starken Kopfschmerzen und einem immer intensiveren Schwindel gelitten zu haben. Diese Symptome hätten sich nach der zweiten Impfung noch verstärkt. Sie leide daran bis heute, habe ein unsicheres Gangbild, sei fallgeneigt und müsse regelmäßig gestützt werden. Dies führe zu erheblichen Folgebeeinträchtigungen, insbesondere auch in Bezug auf ihre Belastbarkeit. Die Klägerin verlangt immateriellen Schadensersatz von 100.000 €, die Feststellung der Ersatzpflicht des Herstellers für materielle Schäden und – in der Berufungsinstanz klageerweiternd – Auskunft. Die Herstellerin trat dem entgegen.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Mainz hat die Klage abgewiesen1. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Koblenz als unbegründet zurückgewiesen:

Das Oberlandesgericht hatte dabei festzustellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) vorliegen und die ursächliche Verbindung von Impfung und Gesundheitsschäden besteht. Ferner war zu klären, ob der Klägerin ein Auskunftsanspruch gemäß § 84a AMG gegen die Herstellerin des Impfstoffs zusteht. Wesentliche Anspruchsgrundlage des Klagebegehrens war § 84 AMG, der eine verschuldensunabhängige sogenannte Gefährdungshaftung postuliert, sowie § 84a Abs. 1 AMG, der den Auskunftsanspruch gegen den Hersteller regelt.

In seiner Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des eingesetzten mRNA-Impfstoffes Comirnaty – ausgehend von den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26.06.2024 projiziert auf den Zeitpunkt der Anwendung des Impfstoffes – überzeugt gezeigt. Dabei könne für das Oberlandesgericht dahinstehen, ob dies schon aus Rechtsgründen aufgrund der europäischen Zulassung bindend feststehe. Vielmehr sei das Oberlandesgericht auch aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen der Europäischen Arzneimittelagentur, von deren Ausschüssen und dem nationalen Paul-Ehrlich-Institut eigenständig von dem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugt.

Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht herausgestellt, dass es bezogen auf die Gesamtheit aller Personen, die potenziell geimpft werden konnten und sollten, keinen 100%igen Schutz gebe; dies sei auch nicht die „versprochene“ und zugelassene Wirkung des Impfstoffs. Gleichzeitig übersehe das Oberlandesgericht dessen Risiken in Form von sich realisierenden Nebenwirkungen vor der Zulassung nicht, allerdings überwiege der Nutzen die Risiken bei Weitem. Dem von der Verwirklichung eines Risikos Betroffenen werde ein im Sinne des Gesetzes vertretbares Opfer zum Nutzen der Gesamtheit abverlangt. Aus der Verwirklichung eines Risikos im Einzelfall könne insoweit nicht auf die Unwirksamkeit des Arzneimittels im Allgemeinen und damit ein den Nutzen überwiegendes Risiko geschlossen werden.

Das Oberlandesgericht hat auch keine unrichtige Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation zu dem mRNA-Impfstoff Comirnaty gesehen. Die gesetzlich relevanten Produktinformationen seien vielmehr nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse richtig gewesen und fortlaufend aktualisiert worden. Die Produktinformationen seien auch frei zugänglich, wenn sich die Klägerin darum bemüht hätte.

Ohne dass dies für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch noch von Erheblichkeit war, hat das Oberlandesgericht darauf verwiesen, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihre behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit den Impfungen stünden und auf diese zurückgingen.

Die erst in der Berufungsinstanz erhobene Auskunftsklage hat das Oberlandesgericht gleichermaßen abgewiesen. Die Klägerin habe keine ausreichenden Indiztatsachen dargelegt, die die Annahme begründeten, dass der Impfstoff ihre Beschwerden verursacht habe.

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 10. Juli 2024 – 5 U 1375/23

  1. LG Mainz, Urteil vom 14.11.2023 – 9 0 37/23[]