Der Mietwagen in der Unfallregulierung

Ein Unfallgeschädigter kann aufgrund der ihn gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB treffenden Schadensminderungspflicht auch dann gehalten sein, ein ihm vom KfzHaftpflichtversicherer vermitteltes günstigeres Mietwagenangebot in Anspruch zu nehmen, wenn dem günstigeren Angebot ein Sondertarif zugrunde liegt, der ihm ohne Mithilfe des Versicherers außerhalb eines Unfallersatzgeschäfts nicht zur Verfügung stünde1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich auch den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt nicht nur für Unfallgeschädigte erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs2 grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann3. Ob der vom Geschädigten gewählte Tarif in diesem Sinne „erforderlich“ war, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 allerdings offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif „ohne weiteres“ zugänglich gewesen wäre, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihn gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte. Denn in diesem Fall ist der vom Geschädigten tatsächlich gewählte Tarif schon wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erstattungsfähig; zu erstatten sind dann nur die Kosten, die dem Geschädigten bei Inanspruchnahme des günstigeren Tarifs entstanden wären5.

Die Würdigung, die Geschädigten hätten in den hier entschiedenen Fällen dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, dass sie die Ersatzfahrzeuge bei einer freien Autovermietung angemietet hätten, anstatt von den ihnen von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers aufgezeigten, um 63%, 65%, 72%, bzw. 69% günstigeren Anmietmöglichkeiten Gebrauch zu machen, begegnet für den Bundesgerichtshof keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Geschädigte gehalten, diejenigen Maßnahmen zur Schadensminderung zu ergreifen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch an seiner Stelle ergreifen würde. Entscheidender Abgrenzungsmaßstab ist der Grundsatz von Treu und Glauben. In anderen Vorschriften zum Ausdruck kommende Grundentscheidungen des Gesetzgebers dürfen dabei nicht unterlaufen werden6.

Dass sich ein ordentlicher und verständiger Mensch bei Vorliegen inhaltlich vergleichbarer Mietwagenangebote für das7 günstigere Angebot entscheiden würde, liegt jedenfalls dann auf der Hand, wenn wie im Streitfall Anhaltspunkte für die fehlende Seriosität des günstigeren Anbieters und seines Angebots nicht ersichtlich sind. Dies gilt auch dann, wenn bei unfallbedingter Anmietung das günstigere Angebot auf der Vermittlung des Haftpflichtversicherers des Schädigers beruht. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen, dass das Angebot des Haftpflichtversicherers des Schädigers an den Geschädigten, ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung zu stellen oder zu vermitteln, beachtlich sein kann8. Hierdurch wird die Grundentscheidung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, den Geschädigten davon zu befreien, die Schadensbeseitigung dem Schädiger anvertrauen zu müssen, und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sie in eigener Regie durchzuführen9, nicht unzulässig unterlaufen. Zwar mag die Obliegenheit des Geschädigten, ein ihm vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer vermitteltes Mietwagenangebot in Anspruch zu nehmen, die ihm grundsätzlich auch insoweit eröffnete Möglichkeit, die Schadensbeseitigung in die eigenen Hände zu nehmen, tangieren. Im Rahmen der an Treu und Glauben auszurichtenden Gesamtbetrachtung10 kommt dem aber keine entscheidende Bedeutung zu. Denn die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ist anders als die Reparatur11 oder die Verwertung der beschädigten Sache12 nicht mit einer unmittelbaren Einwirkung auf das verletzte Rechtsgut, also auf das Eigentum am beschädigten Fahrzeug, verbunden. Der vorrangige Zweck der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, den Geschädigten davon zu befreien, das verletzte Rechtsgut dem Schädiger oder einer von diesem ausgewählten Person zur Wiederherstellung anvertrauen zu müssen13, ist bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs also nicht betroffen.

Unerheblich ist dabei für den Bundesgerichtshof, dass den von der Haftpflichtversicherung aufgezeigten günstigeren Anmietmöglichkeiten Sondertarife zugrunde lagen.

Die Autovermieterin argumentierte im vorliegenden Verfahren, die Geschädigten seien auch deshalb nicht gehalten gewesen, die ihnen von der Haftpflichtversicherung aufgezeigten günstigeren Anmietmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, weil es sich dabei um Sondertarife gehandelt habe, die den Geschädigten ohne Mithilfe der Haftpflichtversicherung außerhalb eines Unfallersatzgeschäftes nicht zur Verfügung gestanden hätten. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten und den Voraussetzungen, unter denen der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den Geschädigten auf eine günstigere Reparatur in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann. Dort habe der Bundesgerichtshof so die Autovermieterin ausgeführt, dass der Geschädigte nicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen werden könne, der nicht die (markt)üblichen Preise der betreffenden Werkstatt zugrunde liegen, sondern mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers vereinbarte Sonderkonditionen. Für die vorliegend zu beurteilende Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten könne nichts anderes gelten.

Der Bundesgerichtshof teilte diese Auffassung nicht. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass ein Geschädigter, der Reparaturkosten fiktiv abrechnet, dann nicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen werden kann, wenn dieser keine (markt)üblichen Preise, sondern mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers vereinbarte Sonderkonditionen zugrunde liegen14. Diese zur fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten ergangene Rechtsprechung kann aber nicht auf den hier zur Entscheidung stehenden, die Abrechnung konkret entstandener Mietwagenkosten betreffenden Fall übertragen werden. Denn auch diese Rechtsprechung fußt auf der Erwägung, bei Berücksichtigung von Sondertarifen würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffne und ihn davon befreie, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von diesem ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen15. Dieser Erwägung kommt wie gezeigt in Bezug auf die im Streitfall zu beurteilende Frage nach der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten keine entscheidende Bedeutung zu.

Erfolglos bleibt die Autovermieterin auch, soweit sie meint, aus den zwischen der Haftpflichtversicherung und den betreffenden Mietwagenunternehmen geschlossenen Verträgen, die den angebotenen Sonderkonditionen zugrunde liegen, für sie Günstiges herleiten zu können.

Ihre Annahme, es handle sich dabei um unzulässige Verträge zu Lasten Dritter, trifft nicht zu. Dass die Vereinbarungen wie für einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter erforderlich16 nach ihrem Inhalt unmittelbar Rechtswirkung zulasten der Geschädigten entfalten sollen, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich. Dass sich Geschädigte im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht gegebenenfalls nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Angebote einlassen müssen, die auf der Grundlage der Vereinbarungen zwischen Versicherer und Mietwagenunternehmen entstanden sind, ist lediglich mittelbare Folge dieser Vereinbarungen.

Soweit sich die Autovermieterin darauf beruft, die zwischen Versicherer und Mietwagenunternehmen getroffenen Vereinbarungen seien kartellrechtswidrig, zeigt sie über die entsprechende Rechtsbehauptung hinausgehenden Tatsachenvortrag nicht auf.

Schließlich erweist sich auch die Rüge der Autovermieterin nicht als durchgreifend, das Berufungsgericht habe hinsichtlich eines Falles außer Betracht gelassen, dass der Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung den Schaden bei Anmietung des Ersatzfahrzeugs durch den Geschädigten noch gar nicht gemeldet gehabt habe und eine Klärung lediglich in Aussicht gestellt worden sei. Dieser Umstand ist im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erheblich. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Obliegenheit des Geschädigten, den Schaden gering zu halten, ist in KfzSchadensfällen davon unabhängig, ob der Schädiger den Schadensfall bereits seinem Haftpflichtversicherer gemeldet hat. Auch macht die fehlende Zusage des Haftpflichtversicherers, den Schaden dem Grunde nach (voll) zu übernehmen, es dem Geschädigten nicht unzumutbar, eine ihm vom Haftpflichtversicherer aufgezeigte, für ihn ohne weiteres zugängliche günstigere Anmietmöglichkeit in Anspruch zu nehmen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Februar 2019 – VI ZR 141/18

  1. Fortführung BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 9; Abgrenzung zu BGH, Urteilen vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14, NJW 2015, 2110 Rn. 10; vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7 f.[]
  2. innerhalb eines gewissen Rahmens[]
  3. zuletzt BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 6, mwN[]
  4. vgl. nur BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 7, mwN[]
  5. vgl. nur BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 12[]
  6. vgl. nur BGH, Urteil vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 28, mwN[]
  7. im Streitfall: wesentlich[]
  8. BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, NJW 2016, 2402 Rn. 9[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 29, mwN[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 28, mwN[]
  11. vgl. etwa BGH, Urteile vom 18.03.2014 – VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 29; vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 13; vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184 9[]
  12. BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15, NJW 2017, 953 Rn. 12[]
  13. vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl.2019, BGB § 249 Rn. 357; ferner BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7[]
  14. BGH, Urteile vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14, NJW 2015, 2110 Rn. 10; vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7 f.[]
  15. BGH, Urteile vom 28.04.2015 – VI ZR 267/14, NJW 2015, 2110 Rn. 10; vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09, NJW 2010, 2725 Rn. 7[]
  16. vgl. nur BGH, Urteil vom 29.06.2004 – VI ZR 211/03, NJW 2004, 3326, 3327 11[]