Facebook – und die Kontosperrung aufgrund außerordentlicher Kündigung

Das Landgericht München I hat die Klage eines ehemaligen Nutzers gegen Facebook abgewiesen, der auf Wiederherstellung seines Nutzerkontos und Schadenersatz geklagt hatte, nachdem Facebook sein Konto ohne seine vorherige Anhörung gesperrt hatte.

Der Nutzer hatte neun Fotos von weiblichen Personen über den Messenger Dienst von Facebook weitergeleitet. Die von Facebook eingesetzte Software „PhotoDNA“ identifizierte diese Fotos als „Child Exploitative Imagery“ (CEI), als ausbeuterische Bilder von Kindern. Daraufhin wurde das Konto des Nutzers bei Facebook dauerhaft gesperrt. Facebook teilte dem Nutzer erst zeitgleich mit der Deaktivierung mit, dass sein Konto gesperrt werde. Der Nutzer beschwerte sich daraufhin bei Facebook und ein Mitarbeiter von Facebook überprüfte die Fotos und bestätigte den CEI-Inhalt der Bilder.

Der Nutzer vertrat die Ansicht, er hätte vor der Sperrung seines Kontos angehört werden müssen. Die Fotos habe er von Freunden erhalten und er könne sich nicht vorstellen, dass diese unerlaubtes Material versendeten. Außerdem habe er die Fotos nicht öffentlich, sondern lediglich im Rahmen eines privaten Gesprächsverlaufs versandt.

Den Argumenten des Nutzers ist die Kammer entgegengetreten. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam, eine vorherige Anhörung des betroffenen Nutzers war in diesem Fall entbehrlich.

Nach der vollen Überzeugung der erkennenden Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO beinhal-ten die vom Nutzer versandten streitgegenständlichen Fotos Inhalte, die pornographische und damit ausbeuterische Darstellungen von Minderjährigen enthielten. Es ist nicht erkennbar oder auch nicht vorgebracht worden, dass sich sowohl die Software als auch der konkret ein-gesetzte Mitarbeiter beim Abgleich der streitgegenständlichen Fotos mit den bekannten CEI-Inhalten geirrt hätten.

In rechtlicher Hinsicht führte die Kammer aus, das vertragliche Nutzungsvertragsverhältnis zwischen den Parteien sei auf Dauer angelegt und könne daher gemäß § 314 BGB bei Vor-liegen eines wichtigen Grundes außerordentlich und ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung gekündigt werden.

Zur Begründung des Urteils hat die Kammer umfassend abgewogen.

Nach eigener Aussage nutzte der Nutzer sein Konto bei Facebook ausschließlich zu privaten Zwecken, insbesondere um Kontakt mit Freunden und Familie zu halten. Durch die Sper-rung war ihm die elektronische Kommunikation zu Freunden und Familie mittels der Facebook-Dienste nicht mehr möglich. Der Wechsel zu einem Netzwerk eines anderen Betreibers könne mit dem Verlust von Kontakten verbunden sein. Auch verfüge Facebook über eine bedeutende Markt- und soziale Macht. Durch die Deaktivierung seines Kontos sei der Nutzer zudem zumindest abstrakt daran gehindert, mittels der Facebook-Dienste seine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kundzutun – auch wenn in der Vergangenheit nicht erkenntlich gewesen sei, dass er das Netzwerk dazu tatsächlich genutzt habe. Die Versendung der streitgegenständlichen Fotos stelle jedenfalls keine Meinungsäußerung dar.

Demgegenüber habe Facebook ein geschäftliches Interesse daran, den Nutzern ihrer Dienstleistungen ein sicheres Kommunikationsumfeld und ihren Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Für diese Tätigkeit könne sie sich auf die auch für sie geltende Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Weiterhin sei auch zugunsten von Facebook das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen, da diese Vorschrift auch den Kommunikationsprozess als solchen schütze, den Facebook als Betreiberin eines Netzwerkes, der dem Austausch von Meinungen dient, unterstütze. Durch die Pflicht der Nutzer, die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zu beachten, werde zudem das auf die Einhaltung der Mitgliedsbedingungen gerichtete Interesse anderer Nutzer geschützt. Bei der erforderlichen Abwägung der Grundrechtspositionen seien daher auch die Persönlichkeitsrechte der ande-ren Nutzer zu berücksichtigen. Schließlich obliege es Facebook im Eigeninteresse, Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten zu entfernen oder zu sperren. Das in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards genannte Verbot von Fotos mit CEI-Inhalten, welches Facebook mit ihrer Kündigung gegenüber dem Nutzer durchsetzt, diene nicht nur dem Schutz einer sicheren Kommunikationsumgebung, sondern auch und insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der besonders vulnerablen Stellung von Kindern und Jugendlichen komme der Verhinderung ihrer Ausbeutung ein ungemein hoher Stellenwert. Reflektiert werde diese Priorität durch die Straftatbestände in § 184b StGB und § 184c StGB, die die Verbreitung, den Erwerb und Besitz kinder- und jugend-pornographischer Inhalte unter Strafe stellten. Um die Verbreitung von Inhalten mit CEI-Inhalt auf dem sozialen Netzwerk von Facebook nachhaltig zu unterbinden, sei es ein probates Mit-tel, bei einem Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung das Konto des betroffenen Nutzers zu sperren und das Vertragsverhältnis zu kündigen.

Im entschiedenen Fall habe Facebook ein besonderes Interesse an einer sofortigen, nicht durch eine Fristsetzung oder Abmahnung verzögerten Beendigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Der Nutzer habe über den Facebook-Messenger-Dienst Fotos mit CEI-Inhalt versandt. Gerade durch die digitale Verbreitung solcher Inhalte bestehe die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung. Nur durch eine sofortige Kündigung des Nutzungsverhältnisses sei es Facebook möglich, sicherzustellen, dass der Nutzer die streitgegenständlichen Fotos nicht weiterverbreite. Der Nutzer habe die Möglichkeit, die er vorliegend genutzt habe, die Kündigung nachträglich anzugreifen und spätestens im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens die Gründe für die Sperrung anzugreifen und sich hierzu Gehör zu verschaffen.

Facebook sei es angesichts dieser Situation nicht zuzumuten gewesen, das Vertragsverhältnis mit dem Nutzer aufrechtzuerhalten.

Landgericht München I, Urteil vom 31. Januar 2022 – 42 O 4307/19